Widerspruchsrecht Minderjähriger gegen die jährliche Weitergabe persönlicher Daten durch die Meldebehörde der Stadt an die Bundeswehr zum Zwecke der Werbung an die Privatadressen.
Wer nicht widerspricht, bekommt an die Privatadresse Anwerbebriefe z.B. mit dem Slogan:
“Nach der Schule liegt dir die Welt zu Füßen – mach sie sicherer!”
Hier kann ein Anschreiben der Bundeswehr angesehen werden und! ein Brief einer besorgten Großmutter an die Bundeswehr, Minderjährige zu bewerben.
1: Rechtliche Grundlagen
§ 58c Soldatengesetz : Mit der Aussetzung des Wehr- und Zivildienstzwangs im Jahr 2011 wurde die Zwangserfassung von Daten der wehrpflichtigen Jugendlichen für das Militär beendet. Dennoch sind die Meldebehörden der Gemeinden weiterhin verpflichtet, der Bundeswehr bis zum 31. März jeden Jahres, Namen und Anschrift der Jugendlichen zu übermitteln, die im folgenden Jahr volljährig werden. Dies betrifft 16 – 17jährige Jugendliche beiderlei Geschlechts.
§ 18 Absatz 7 MRRG regelt die Pflicht der Kommunen, Jugendliche der anstehenden Jahrgänge “im Oktober eines jeden Jahres durch öffentliche Bekanntmachung” auf das Widerspruchsrecht gegen die Datenweitergabe hinzuweisen.
Umsetzungspraxis in Freiburg bei der Veröffentlichung der Widerspruchsrechte im Amtsblatt der Stadt Freiburg:
Ab 2013 Kritikpunkte des Runden Tisches Freiburg „schulfrei…“
1. Die nicht gesetzeskonforme Datierung der Veröffentlichung : z.B. im „Sommerloch“ August statt im Oktober oder angemessen zeitnäher.
2. Die kaum wahrnehmbare Platzierung im Amtsblatt: Kleindruck (z.B. S.5)
3. Den marginalen Inhalt im Paragrafendeutsch (nur Gesetzestext, 5-Zeiler, subsumiert unter Nr. 5 des Abschnitts “Übermittlung von … Meldedaten”).
4. Die inhaltliche und formale Unangemessenheit gegenüber der Zielgruppe der 16- bis 17-jährigen Jugendlichen.
5. Die mangelnde Sensibilität gegenüber Bürgern und Minderjährigen in Sachen Datenschutz und Kindersoldaten.
2013 -2020 Unzählige !!!!!! Briefe des Runden Tisches gingen z.B.
an Bürgermeister der Stadt, an das Amtsblatt der Stadt, an das Pressereferat der Stadt, an die Fraktionen des Gemeinderats, Presseerklärungen gingen an die lokalen Medien, Interviews ins Regionalradio…, Briefe richteten sich an den Gesamtelternbeirat der Stadt, ebenso gab es Informations- und Musterbriefe für den Widerspruch an LehrerInnen…
Reaktionen der Stadt Freiburg:
8-jähriger Eiertanz der Stadt Freiburg auf unser Anliegen, Jugendliche zeitnah, transparent und in angemessener Form zu informieren.
Auswahl des Schriftverkehrs und Begleitmusik des „Eiertanzes“
2. Betrifft: Protest über insgesamt 8 Jahre von unserer Seite
2a: z.B. am 7.2.2014: Privilegierte Datenweitergabe an Bundeswehr durch Freiburger Meldebehörde/ WEITER SO bei Kooperation zwischen Kultusministerium und Bundeswehr | Radio Dreyeckland (rdl.de):
Und am 29.5.2015 : “Freiburg informiert unzureichend über Widerspruchsrechte Jugendlicher” (Audiodatei)
2b: am 7.6.2015 : “Jugendliche im Visier. Freiburger Friedensinitiative kritisiert Art der Datenweitergabe an die Bundeswehr” Bericht in der regionalen Wochenzeitung Der Sonntag
2c: am 2.6.2015 sagt die Stadt Freiburg immerhin nach über 1 Jahr erstmals zu, alle Forderungen zu erfüllen!
Von da an aber blieb es meist bei Versprechen oder eben … Eiertanz
3. Betrifft : Antwort der Stadt Freiburg Juni 2018: “Sorry und zukünftig werden wir…!”
“Leider sind diese Bekanntmachungen im Oktober 2017 und Januar 2018 unterblieben. Dieses Versäumnis bitten wir zu entschul-digen. Zukünftig werden wir – wie in den vergangenen Jahren – Bekanntmachungen zu den Widerspruchsrechten in den Monaten Januar und Oktober im Amtsblatt und in der Badischen Zeitung veranlassen.”
4. Betrifft: Aus unserem Schreiben an die Stadt Dez 2019: Alle Jahre wieder vergisst die Stadt
“[…] und kehrt wieder zu der völlig unzureichenden Praxis wie in „alten Zeiten“ zurück: Lediglich im Amtsblatt 754 vom 25.10. 2019 gibt es unter „Widerspruch gegen Datenübermittlung, Punkt 5“ einen unkonkreten und völlig unzureichenden gesetzlichen Hinweis, den kein Jugendlicher als konkrete Information auffassen kann.
Ihre Praxis halten wir für die Geringschätzung eines berechtigten Anliegens, das in anderen Städten und vielen kleinen Gemeinden im Umland besser und zuverlässiger gehandhabt wird.“
Anlage: Aus den offensiven Werbeschreiben der Bundeswehr an die einzelnen Schüler*innen mit Slogans im Kommando-Stil, wie z.B. “Schluss mit luschdig”.
5. Betrifft: Abwehrreaktionen der Stadt Dezember 2019 und Januar 2020:
Die Stadt erklärt sich für nicht zuständig, droht und wehrt ab.
Antwort vom Amtsblatt: 13.12.2019: “Wir sind die falschen Ansprechpartner”
Antwort vom 16.Jan.2020: Drohungen und Rolle Rückwärts, nur noch Gesetzestext zu veröffentlichen statt zielgruppenspezifische Hinweise.
6. Ende einer 8 jährigen „Brieffeindschaft“ mit städt. Behörden Freiburg zur Widerspruchsaufklärung Jugendlicher gegen die Datenweitergabe an die Bundeswehr durch die Meldebehörde.
Unsere Briefe 2021 : Geht doch! So weitermachen 2021!
7. Unser letztes Briefpapier!!! bitte hier weiterlesen
Eiertanz ausgetanzt
Ein Eiertanz der Städtischen Behörde, der nach vielen Jahren zu einem hoffentlich anhaltenden Erfolg gekommen ist.
Der „Erfolg“ besteht schlicht und ergreifend darin, dass die Kommune ihrer gesetzlichen Pflicht! nach §18 Absatz 7MRRG nachkommt*, Jugendliche darüber aufzuklären, dass die Meldebehörde deren Daten an die Bundeswehr weitergibt, und dass dagegen Widerspruch eingelegt werden kann.
*Nicht nur formaljuristisch, sondern für die Zielgruppe der unter 18-Jährigen in angemessener Form zu informieren, so unser Anliegen seit 2015.
Fazit: Hier handelte es sich nicht nur um eine Lokalglosse. Unserer Beharrlichkeit ist geschuldet, 8 Jahre hintereinander von neuem die Behörde zu “erinnern”, ihrem gesrtlichen Auftrag nachzukommen. Für Themen, die der Stadt und ihrer Verwaltung – dem Amt für Öffentlichkeitsarbeit – dem Amtsblatt – wichtig genug erscheinen, gibt es automatisierte und klar datierte Wiedervorlagen von bestimmten Formaten, die jeweils jährlich aktualisiert werden. Bei diesem Thema ist es aber offenkundig nicht so! Die Wehrpflicht ist zwar seit 2011 ausgesetzt und die Zwangserfassung der Daten von wehrpflichtigen Jugendlichen für das Militär ist beendet. Dennoch hat der Gesetzgeber nicht geändert, dass die Meldebehörden die Daten Minderjähriger an die Bundeswehr zum Zwecke der Anwerbung (!) weitergeben soll. Das führt die Behörde dann auch im alten Trott wie zu Wehrpflichtzeiten aus. Anders als Freiburg schaffen es viele andere Kommunen seit langem, Jugendliche auch angemessen über ihre Widerspruchrechte zu informieren.
Ein Grund für eine geänderte Umsetzungspraxis mit klarer Aufklärung über das Widerspruchsrecht gegen die Weitergabe der Daten ist, dass es sich seit 2011 nicht mehr um Jugendliche handelt, die zur Wehrpflicht angemahnt werden.
Wenn die Bundeswehr nach dem Aussetzen der Allg. Wehrpflicht ein “Arbeitgeber” wie jeder andere sein soll, dann dürfte sie auch keinen privilegierten Zugang zu den Daten von potentiellen ArbeitnehmerInnen haben, schon gar nicht von Minderjährigen! Das verstößt u.a. auch gegen das Benachteiligungsverbot.
Entsprechende Petitionen im Bundestag sind bisher abgeschmettert worden.
Letztlich reiht sich das ein in die bedenklich zunehmende Militarisierung vieler ziviler Bereiche.